Hallo Leute!
Wien
ist seit jeher eine Medizinstadt - nicht erst, seit die riesigen Bauten
des neuen AKH die Stadt dominieren. Besonders Kaiser Joseph II. tat
sich hier hervor - unter anderem ließ er die erste Psychatrie Europas
bauen. Die war im sogenannten Narrenturm untergebracht...
Pathologisch-anatomische Sammlung im Narrenturm
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Lage
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Der
Narrenturm ist in der Spitalgasse im 9. Gemeindebezirk Alsergrund. Wohl
am einfachsten gelangt man mit der Tram 5 oder 33 (Station Sensengasse)
dorthin - von dort sind es noch etwa 300 m zu Fuß. Aber Achtung, der
Turm liegt etwas versteckt in einem Hof - von der Spitalgasse geht man
einen kleinen Pfad hinauf und sieht den Turm erst oben.
Öffnungszeiten, Eintrittspreise
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Mo. Geschlossen
Di. Geschlossen
Mi. 10:00 - 18:00
Do. 10:00 - 13:00
Fr. Geschlossen
Sa. 10:00 - 13:00
So. Geschlossen
Der
Eintritt in die Sammlung im Erdgeschoss beträgt 2€, die wesentlich
spannendere Schausammlung kann man ausschließlich mit Führung
besichtigen. Die Führungen beginnen zu jeder vollen Stunde und kosten
6€. Durchgeführt werden sie von jungen, durchaus motiviert wirkenden
Medizinstudenten. Der junge Mann, der uns führte, tat das mit einer
wirklich ehrlich wirkenden Begeisterung.
Geschichte
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Das
Gebäude wurde 1784 unter Kaiser Joseph II. als erstes Krankenhaus für
psychische Erkrankungen der Welt errichtet. Zu damaligen Zeiten wurden
psychische Erkrankungen nicht als Erkrankungen anerkannt, die Erkrankten
zum Teil sogar auf Jahrmärkten ausgestellt.
Der
Narrenturm wurde als Rundbau von Josef Gerl errichtet und auf dem Dach
war das sogenannte Oktogon als Wohnung für Joseph II. errichtet worden
(was allerdings später aufgrund des maroden Unterbaus abgerissen werden
musste).
Schon 10 Jahre nach Fertigstellung galt der
Bau allerdings schon als überholt und wurde nur bis 1866 mit Patienten
belegt - bis zu 280 Patienten hatten hier Platz, wobei im Obergeschoss
die schweren Fälle, im Erdgeschoss die eher leichten Fälle behandelt
wurden. Witzigerweise versuchten die Bürger damals, an der Fassade
hinaufzuklettern, um aus Schaulust die schweren Fälle zu sehen, weshalb
man irgendwann den unteren Teil der Fassade verputzt. Spuren davon sieht
man noch (siehe Foto).
Ausstellung
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Mit
50000 Exponaten beherbergt der Narrenturm die größte
pathologisch-anatomische Sammlung der Welt - natürlich kann man sich bei
der einstündigen Führung nicht alles anschauen. Die Sammlung befindet
sich seit 1971 im Narrenturm, geht aber schon auf das Jahr 1796 zurück
und wurde von Kaiser Franz II. (I.) gegründet.
Die
eigentlich spannenden Präparate sind nur mit fachkundiger Führung
zugänglich, was aufgrund der Fülle der Ausstellung auch meiner Meinung
nach wichtig ist, denn nicht jedes Präparat wird ausführlich erläutert.
Die
Ausstellung an sich ist nichts für schwache Nerven, man sieht
zahlreiche Präparate, die als Wachsabgüsse von echten Erkrankungen
erstellt wurden - darunter schwerste Hautkrankheiten, Pestbeulen und
ähnliches. Allerdings werden auch echte Schädel etwa von Mord- und
Unfallopfern ausgestellt - etwa einem Mann, dessen Kumpel 8x ihm mit dem
Eispickel auf den Schädel geschlagen hat oder auch ein Schädel eines
Mannes, der einen Huftritt abbekommen hat. Auch werden fehlgebildete
Föten gezeigt, darunter Skelette von siamesischen Zwillingen, in Alkohol
eingelegte Zyklopen und ähnliche "Schwebewesen".
Sehr
spannend fand ich den Schädel eines Patienten mit einer
Stoffwechselerkrankung, bei dem zu viel Knochen gebildet wird. Die
Schädeldecke war etwa daumendick. Spannend war auch die Lunge eines
Tuberkulosepatienten, die Spuren einer Therapieform aufweist, bei der
man versuchte, entstehende Löcher mit Wachs auszugießen, was natürlich
nicht geklappt hat.
Durch die Ausstellung im
Erdgeschoss kann man alleine gehen. Hier sieht man zunächst einiges zum
Thema "Ansteckung". Auch hier sieht man wieder einige Modellagen von
verschiedenen Hauterkrankungen. In weiteren Zellen sieht man z.B. eine
alte Zahnarztpraxis und ein Alchemistenlabor. Unter anderen sieht man
hier auch einen echten, doch recht großen Bezoar.
Fazit
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Ich
hatte mir einen Gang in den Narrenturm schon sicher seit 2 Jahren
vorgenommen - und am Samstag hat es endlich geklappt. Und ich muss
sagen, ich bin schwer beeindruckt.
Schon das Gebäude an
sich ist ungemein spannend mit den vielen kleinen Zellen und dem engen
Rundgang - jede der Krankenzimmer hatte ein Fenster, durch das
Tageslicht fiel und durch das man ins Grüne schaun konnte - da ist man
ja fast schon pfleglich umgegangen mit den Geisteskranken.
Die
Sammlung ist sicherlich nicht jedermanns Sache. Wer vor allem bei
Hauterkrankungen ein bisschen empfindlich ist, sollte sich den Gang wohl
eher nicht antun, wer aber medizinisch und medizingeschichtlich
interessiert ist, wird sich im Narrenturm wie im Paradies fühlen - ich
jedenfalls fand es großartig. Wir haben dort einen sehr lehrreichen
Samstag Vormittag verbracht.
In diesem Sinne
Eure Anke
PS:
Wer Fotos von innen erwartet, den muss ich leider enttäuschen. Die
Präparate gehen ja größtenteils auf schwere Erkrankungen zurück, zum
Teil sind echte Leichen und Leichenteile im Spiel - Fotografieren ist
dort daher strengstens verboten!
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